Für viele Menschen auf einem spirituellen Weg stellt sich die Frage: Gibt es so etwas wie Gott als eine Person oder leben wir einfach in einem intelligentem Universum, in einer Art sich selbst organisierendem System?

Ich versuche hier, eine Brücke zwischen diesen beiden Denkweisen zu bauen.

Da gibt es unter Christen jene, für die Gott eindeutig eine Person ist, mal gütig, mal zornig, auf jeden Fall jemand, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Und manche sind fest von der Existenz des Teufels überzeugt, wie ich kürzlich in einem Chat erleben durfte. Allerdings gibt es im Christentum auch sehr viel moderatere Vorstellung über eine persönliche Kraft Gottes.
Sehr gut gefiel mir folgende Aussage der Autoren Anselm Grün, einer der bedeutendsten spirituellen Autoren der Gegenwart, und Wunibald Müller, ein bekannter Psychotherapeut, gefunden in ihrem wunderbaren Buch „Wer bist du, Gott?“. Sie schreiben: „Wir erheben nicht den Anspruch, auch nur ansatzweise von Gott mehr zu wissen als andere. Wir beanspruchen für uns auch nicht, im Besitz der Wahrheit zu sein, wenn es um Gott geht.“

Viele Theologen stellen mittlerweile allerlei intellektuelle Verrenkungen an, um den Begriff eines persönlichen Gottes zu vermeiden. Besser wäre es mal richtig zu erklären, was eigentlich der Begriff „Person“ bedeutet. Was im Laufe dieses Artikels geschehen soll.

Und dann gibt es jene, die von einer „göttlichen“ Existenz, einem bewussten Universum reden. Für sie ist die Existenz an sich intelligent, die Gottesfrage klammern sie aus oder verneinen sie. Dafür haben sie sehr gute Gründe, die oft in alten, einengenden Gottesvorstellungen und alten Verletzungen bestehen. Manche sie suchen Gott in sich, in ihrer eigenen Tiefe. Damit haben sie durchaus recht, aber nicht völlig.

Manche wissen es nicht genau und können damit auch ganz gut leben. Und es gibt viele sich teilweise überschneidende Positionen dazwischen. Die Frage, welche „richtig“ ist, werden wir hier nicht beantworten können. Ich möchte aber eine Hilfestellung geben, deine Position für Dich vielleicht etwas klarer machen zu können. Und ich möchte den Blick auf das Gemeinsame und weniger auf das Trennende zwischen den Positionen legen.

Viele Menschen, ob traditionell gläubig oder auf dem esoterischen Pfad unterwegs oder irgendwo dazwischen, leben eine sehr oberflächliche Spiritualität. Die Einen vermenschlichen Gott, den Teufel und die Engel und nehmen die Bibel absolut wörtlich. Die Anderen entpersonalisieren Bewusststein und Intelligenz jenseits des Menschlichen.

So gibt es auf der einen Seite Fundamentalisten wie die Pius-Brüder oder Opus Dei und allerlei evangelikale Sekten. Auf der anderen Seite Esoteriker, deren Fantasie Purzelbäume schlägt. Manche gehen davon aus, dass wir am 20.12.2012 alle erleuchtet werden oder aber untergehen. Oder sie reden von aus anderen Universen herangereisten Lichtarbeitern, die uns in ein neues Zeitalter und in die fünfte Dimension führen.

Doch um solche Extrempositionen geht es mir hier nicht. Mich interessiert, wo die Gemeinsamkeiten zwischen Menschen bestehen, die entweder in einem „gemäßigten“ traditionellen religiösen Weltbild mit Gott als Person verankert sind und solchen, die an die oben genannte intelligente Existenz glauben, ohne gleich vom Weltuntergang oder von kollektiver Erleuchtung zu schwafeln. Wohl wissend, dass es auch innerhalb dieser beiden Richtungen erhebliche Unterschiede gibt.

Die religiösen „Traditionalisten“ schauen missbilligend bis verächtlich auf die „Esoteriker“. Was vielleicht auch daran liegt, dass das Christentum seine esoterische Seite sehr vernachlässigt hat. Die „Esoteriker“ (Sorry für diese Vereinfachung) machen sich über die „zurückgebliebenen“ Traditionalisten lustig, die noch einen „Papa-Gott“ benötigen. Das mag helfen, die jeweils eigene Position zu stärken, auch gegenüber den eigenen Zweifeln, geht aber an der komplexen Realität der jeweils anderen Gruppe vorbei, führt somit nicht zu tieferer Erkenntnis und erst recht nicht zur Erleuchtung.

Betrachten wir die erste Position: Gott zu vermenschlichen und ihn gleichzeitig in den Himmel zu verlagern entfernt ihn von den Menschen. Eine Herrscherfigur entsteht. Dieser kann man sich noch nicht mal entziehen, da sie alles mitkriegt. Es gibt nun einige Bedingungen zu erfüllen, um im Jenseits zu ihm zu kommen und nicht auf Dauer in irgendwelchen Folterkammern des Universums zu schmoren. Die Einpflanzung von Schuldgefühlen und die Vorstellung von Sündhaftigkeit – eine der übelsten Methoden, Menschen beherrschbar zu machen – trug und trägt dazu bei, die Sucher „gottgefälliges“ Leben führen zu lassen. Das führte dazu, dass sie lenk- und beherrschbar wurden und auch bereit waren, für Gott und Vaterland in den Krieg zu ziehen. „Gottes Stellvertreter“ auf Erden hatten ein leichtes Spiel.
Die Vollkommenheit, die eigentlich in jedem Menschen enthalten ist, wurde dabei auf Gott und damit nach außen projiziert. Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wird damit aufgegeben.
Mit dem, was Jesus – auf den sich das Christentum ja beruft – vorgelebt hat, hat dies alles wenig zu tun. Und auch die Texte der Bibel muss man sehr „speziell“ deuten, um ein solches Gottesbild zu rechtfertigen.

Die andere Position: Wir leben in einem bewussten, intelligenten, sich quasi selbst organisierendem Universum, die Existenz an sich ist intelligent und Gott ist eine Funktion in unserem Inneren. Es geht darum, die eigene Göttlichkeit zu erkennen und letztlich „erleuchtet“ zu werden. Dies – zugegeben etwas vereinfacht dargestellt – hört sich erst mal gut an, hat aber einige Tücken. Gerne werden in diesem Weltbild die Erkenntnisse der modernen Quantenphysik herangezogen und dabei manchmal arg strapaziert.
Die Frage ist, kann es Intelligenz, Geist und Bewusstsein ohne ein dazugehöriges Wesen geben? Als intellektuelle Konstruktion mag das funktionieren. Oder sind wir Menschen mit der uns innewohnenden Göttlichkeit allein Träger dieser Intelligenz? Wenn ich mir anschaue, wie wir uns in dieser Welt verhalten, kommen mir da so meine Zweifel.

Wenn wir von der Göttlichkeit in uns sprechen, stellt sich die Frage, wo wir diese verankern. In unserem Körper? In unserem Herzen? Mag sein, aber wahrscheinlich ist das Herz eher Sende- und Empfangsorgan für solch göttliche Energie. Untersuchungen des Institute of HeartMath in Boulder/Colorado legen solche Schlüsse zumindest nah. Oder ist die Göttlichkeit in uns eine Gehirnfunktion, wie uns manche Gehirnforscher aufgrund vager Annahmen voreilig mitteilen?

Wahrscheinlicher ist, dass diese Göttlichkeit eine Funktion in unserem Bewusstsein ist, welches wiederum nicht an unseren Körper gebunden ist. Die Nahtodforschung weist deutlich darauf hin. Das können wir dann so sehen, dass eine höhere Form von Bewusstsein und Intelligenz, die wir Gott nennen können, quasi eine Außenstelle in uns hat. Die können wir Seele nennen oder höheres Selbst. Ich weiß, dass dies alles nur Metaphern sind, aber unser Verstand ruft halt nach für ihn nachvollziehbaren Erklärungen. In diesem, für mich sehr schlüssigen Modell, erkennen wir sowohl unsere eigene Göttlichkeit an, als auch ein intelligentes und bewusstes Universum mit personalen Kräften.

Nun bleibt die Frage, ob es diese höheren, personalen Kräfte, also Gott, gibt, oder ob wir Menschen bereits die höchste Form personalen und subjektiven Bewusstseins sind. Es macht nämlich einen erheblichen Unterschied, ob wir von „übernatürlichen“ aber unpersönlichen Kräften berührt werden, oder von einem personalen Gott.

Letztlich wird sich diese Frage nicht eindeutig beantworten lassen. Wir können uns ihr aber mit Logik und Vernunft nähern und zu schlüssigen Annahmen kommen. Mehr geht nicht. Am Ende bleibt immer eine individuelle Entscheidung, das für sich als schlüssiges Weltbild zu akzeptieren oder nicht. Absolute Gewissheit gibt es nicht.

Um diese Frage für mich zu beantworten, habe ich eine Reise durch (transpersonale) Psychologie, Quantenphysik (ohne zu behaupten, sie verstanden zu haben), Christliche Mystik und Theologie, Religionspsychologie und verschiedenen spirituellen Lehren unternommen. Meine Erkenntnis ist, dass man dort überall einige Körnchen Wahrheit findet, nie jedoch die Ganze. Es ist also wie ein Puzzlespiel. Womit ich nicht behaupten möchte, hier nun die ganze Wahrheit zu verkünden. Dann würde ich Guru oder Satsang-Lehrer.

Was spricht nun dafür, das es in einem bewussten Universum und in einer intelligenten Existenz personale und subjektive Kräfte gibt, die über die menschliche Personalität hinausgehen?

Kommen wir zu der Frage, was ist eigentlich eine Person? In unserer oberflächlichen Alltagslogik setzen wir die Begriffe Mensch und Person gleich. In früheren Zeiten war mit „Person“ eine Maske gemeint, die Maske eines Schauspielers in einem antiken Theater. Man ging damals nicht zur Unterhaltung ins Theater, es ging vielmehr um religiöse Dramen zwischen Göttern, Dämonen, Herrschern und Menschen. Von Gott kam zu den Menschen etwas herüber. Die Schauspieler trugen dazu Masken, durch die sie eine göttliche Macht verkörperten. Diese Maske nannte man griechisch „prosopon“ oder lateinisch „persona“. Prosopon bedeutet ein Gesicht, mit dem sich jemand uns zuwendet. Persona meint etwas, dass durch etwas hindurch tönt. Diesen Hintergrund hat das heutige Wort Person, es ist eher ein Beziehungsbegriff. So, wie wir dieses Wort heute benutzen, ist es eine Verarmung der ursprünglichen Bedeutung: der Mensch nämlich sei ein Medium, durch das etwas hindurch töne. Diese wunderbare Erklärung ist nicht meine geistige Leistung und darum danke ich an dieser Stelle dem Autor Jörg Zink. Ich entnahm sie seinem Buch „Gotteswahrnehmung“.

Wir können uns einen personalen Gott also als eine bewusste und intelligente Kraft vorstellen, als eine schöpferische und kreative Energie, als die Quelle allen Seins, die durch eine Maske zu uns spricht, die den Selbstzustand einer Person annimmt. Denn wir sind Person und nur durch persönliche Ansprache erreichbar und können mit anderen Wesen, egal ob Menschen, Geister oder Götter, nur „persönlich“ kommunizieren. Eine Begegnung braucht ein Du. Eine unpersönliche Kraft kann keine Beziehung mit einem Menschen eingehen. Gott ist Liebe, heißt es in der Bibel und das wird auch jeder „Esoteriker“ unterschreiben. Aber kann es Liebe ohne personalen Bezug geben? Was für seltsame Blüten die Vorstellung einer apersonalen Liebe treiben kann, werden wir gleich noch sehen.

Stell dir vor, du hast einen Hund. Du kannst nur „persönlich“ mit ihm kommunizieren und wirst ihn dabei vielleicht oft vermenschlichen. Auch dein Hund kann nur „persönlich“ mit dir kommunizieren und wird dich möglicherweise als eine Art Überhund wahrnehmen. Dennoch bist du kein Hund. Aber dein Hund kann dich nie ein deiner vollen Komplexität begreifen. Also kannst du auch nie die volle Komplexität Gottes begreifen. Die Dimension einer göttlichen Wirklichkeit überschreitet das, was dem für die Orientierung in der materiellen Welt geschaffenen Denken möglich ist.

Ein üblicher Weg der Gottesbetrachtung ist, unsere Alltagsvorstellung vom Personsein auf Gott zu übertragen. Betrachten wir es doch mal umgekehrt: In Gott, seiner Präsenz und seiner Kreativität – oder in „der Existenz“ an sich – pulsiert der Grundrhythmus allen Lebens und damit aller Personalität. Unser menschliches Personsein gründet im Personsein Gottes. Sein göttliches Personsein ist Mitsein und unser menschliches Personsein ist ebenfalls Mitsein.
An dieser Stelle erinnere ich an die Bedeutung des Begriffs Sein. Das Substantiv Sein steht für „die Existenz“ an sich. Mitsein bedeutet also, an der Existenz, an allem was ist, beteiligt sein. Mache nun ein kleines Experiment: Suche einen Moment Stille, lehn dich zurück und machen aus dem Substantiv „Sein“ das Verb „sein“. Spreche es dann in der ersten Person aus: „Ich BIN!“ Vielleicht bekommst du nun eine Ahnung, wer du wirklich bist. Lasse es eine Zeit lang wirken und wiederhole es täglich.

Einen solchen persönlichen Gott anzuerkennen bedeutet nicht zwangsläufig, die christlichen oder andere Gottesvorstellungen einfach zu übernehmen. Zumal diese keineswegs eindeutig sind.

Ein weiteres Argument ist, das wir ja auch innere Energien oder Teilpersönlichkeiten wie z.B. den inneren Kritiker, den inneren Antreiber, den inneren Liebhaber u.a. personifizieren. Ebenso personifizieren wir gerne unsere Seele als etwas persönliches. Was sie ja auch ist. Somit sollten wir eigentlich kein Problem mehr damit haben, Gott zu personifizieren.

Auch ist hier noch zu erwähnen, dass Gott als Vaterfigur laut C.G. Jung ein sehr starker Archetyp in unserem kollektiven Unbewussten ist. Und Archetypen zeigen Wirkung, erst recht, wenn wir sie ignorieren. Wenn dieser Archetyp krank ist, wird der ganze Mensch krank. Ich bin in dem Artikel „Was ist wirklich? Über Gott, Religion, Spiritualität und Esoterik“ bereits ausführlich auf dieses Thema eingegangen. Es geht hier nicht mehr darum, ob Gott „wirklich“ existiert, sondern welche Bedeutung und Kraft der Archetypus in uns hat.

Die Tücken einer Spiritualität ohne Gott

Wenn wir nun doch lieber glauben, es gäbe zwar ein bewusstes und intelligentes Universum, aber keine subjektive und personale Bewusstheit und Intelligenz außerhalb von uns menschlichen Wesen, dann können wir in einige bereitliegende Fallen laufen.

Zunächst müssten wir uns die Frage beantworten, welche Form nimmt apersonales Bewusstsein und apersonale Intelligenz ein? Wie drückt sie sich aus? Vielleicht so, indem sie mir eine „Eingebung“ schickt. Aber woher kommt dann die Absicht, sie gerade mir zu schicken? Mir fällt da keine intelligente Antwort zu ein.

Die erste Gefahr einer Spiritualität ohne einen wie auch immer vorgestellten personalen Gott ist die der Ego-Aufblähung mit allerlei spirituellen Vorstellungen, die auf der menschlichen Ebene nichts zu suchen haben. Manche Gurus und Satsang-Lehrer sprechen von der Ego-Auflösung und übertünchen dabei nur ihre Probleme mit sich selbst auf religiöse Weise. Sie kompensieren, durchaus in bester Absicht und ohne dies bewusst zu merken, ihre Ich-Defizite mit großen Worten und wähnen sich als erleuchtete Mystiker. Das Ego will Gott – den es ja nicht gibt – für sich vereinnahmen. Das kann nicht gut gehen. Die ehemalige Satsang-Lehrerin Rani ist genau in diese Falle gelaufen und beschreibt dies in einem sehr lesenwerten Artikel hier http://www.connection.de/artikel/spiritualitaet-mystik/eine-satsanglehrerin-steigt-aus.html.
Ein Guru oder Satsang-Lehrer ist immer auch eine Projektionswand für die grandiosen Projektionen seiner „Gläubigen“, für die er als „heilig“ gilt. Sie bewundern und verehren ihn. Da kann das Ego schon mal leicht durchknallen. Je größer die Zahl der Bewunderer ist, desto größer ist auch die Gefahr. Schließlich glauben sie tatsächlich, außergewöhnlich oder gar erleuchtet zu sein.

Die zweite Gefahr ist die einer gewissen Beziehungslosigkeit. Manche Sucher schwärmen davon, mit „dem Göttlichen zu verschmelzen“ und nicht mit einem Gott als gegenüber. Was tatsächlich passiert ist, dass sie ihre Beziehungsunfähigkeit religiös überhöhen und damit auch überspringen. Doch es ist nur eine Kompensation. Sie weigern sich, sich ihrer Sehnsucht nach erfüllenden persönlichen Beziehungen zu stellen, flüchten in die „kosmische Liebe“, fühlen sich als etwas Besonderes und stellen sich auch noch über die Menschen, die nach Beziehungen suchen: Diese seien auf einem niedrigen spirituellen Niveau.

Wir sind von unserem Wesen her auf Beziehung ausgelegt. Der Mensch wird am Du zum Ich. Das beginnt schon in der Kindheit.

Nun zum Begriff Person: „Person“ ist von seiner eigentlichen Bedeutung her ein Beziehungsbegriff. Das gilt für uns Menschen wie auch für Gott, wie auch immer wir uns diesen vorstellen. Die christliche Spiritualität – richtig verstanden – steht für eine Wirklichkeitserfahrung, die nicht in der Verschmelzung mit dem letzten Seinsgrund liegt, sondern in einem nicht endenden Beziehungs- und Liebesaustausch mit dem die Welt tragenden Unsagbarem.
Osho bezeichnete dies als ein „Liebesabenteuer mit der Existenz“.
Nebenbei: Die Auflösung des Selbst ist für die menschliche Psyche nicht ganz ungefährlich.

Die dritte Gefahr: Spiritualität kann dazu missbraucht werden, seine Schattenseiten abzuspalten und sich ihnen nicht zu stellen. Man nennt dies Spiritual bypassing. Spirituelle Praktiken werden dazu benutzt, persönliche Probleme zu umgehen und menschliche Bedürfnisse zu ignorieren. Dann wird man zu einem ständig vor sich hingrinsenden aber letztlich seelenlosen Dauermeditierer. Solchen Leuten fehlt jegliche Erdung, sie scheinen quasi über dem Boden herzuschweben. Manchmal tragen sie sogar die dazu passende Kleidung.
Dies kann zu allerlei seltsamen Verhaltensweisen führen. Wenn dann ein Sucher in seiner spirituellen Community beim Abwasch helfen soll, aber keine Lust hat, sagt er einfach: „Du, ich merke gerade, wie ich beginne, mich mit der Arbeit zu identifizieren. Das tut mir echt nicht gut. Ich glaube, ich brauche jetzt eine Zeit, in der ich ganz bei mir sein kann. Das verstehst Du doch sicher!“ Und der meint das auch noch ernst.

Die vierte Gefahr: Die wichtigste Frage ist, ob ein spirituelles Modell, das man hat, einen „trägt“. Oder ob man bei den geringsten Schwierigkeiten in seinem Leben quasi in sich zusammenfällt. Dann hat es nicht getragen und war vielleicht reine „Wellness-Spiritualität“. Hier kommen wir zu einem scheinbaren Paradox: Religion wurde und wird von vielen Menschen abgelehnt, weil sie unmündig macht. Das trifft auch zu, wenn man das Bild eines strafenden und kontrollierenden Gottes und seiner bevormundenden Stellvertreter in sich hat. Eine sentimentale Wohlfühl-Spiritualität funktioniert, solange im Leben alles gut läuft. Doch bei auftretenden Lebenskrisen funktioniert sie nicht mehr, führt also auch in die Unmündigkeit.

Wenn ich keine subjektive und personale Intelligenz „über“ mir anerkenne, bringt dies mit sich, dass ich in meinem Leben alles selbst machen muss. Und das in der Regel auch noch ausschließlich mit dem Verstand. Dies kann eine Überforderung sein und zu einem Burnout führen. Oder ich übergebe etwas einfach „an das Universum“. Was bei kleinen Dingen durchaus funktioniert. Aber nur selten bei wirklichen Lebenskrisen.

Stell dir vor, es gibt eine Kraft, genannt Gott, Manitu, die Vorsehung, die dich bei deinen Vorhaben unterstützt, von der du Kraft und Inspiration bekommst und der du deine Sorgen und deine Schwächen einfach übergeben kannst. Was nicht heißt, dass du nichts mehr tun musst. Außerdem schützt er dich vor der Versuchung allzu naiver Heilsversprechen.

Gott trägt mich, wenn ich ihn anerkenne, aber wie funktioniert das? Wie kann ich das nun erklären. Stell dir vor, jemand schellt an deiner Tür, du machst auf und er sagt zu dir: „Guten Tag, ich möchte gerne mit Ihnen über den heiligen Geist sprechen.“ Vermutlich machst du die Tür wieder zu. Dennoch kommen wir jetzt und hier um dieses Thema nicht herum. Am besten vergisst du erst mal alle Vorstellungen, die du von im hast. Und bedenke, dass alles, was ich gleich darüber schreibe, nur eine Metapher ist. Letztlich bleibt der Heilige Geist – Osho nannte ihn gerne „Spuki“ oder einen „komischen Vogel“ – unerklärbar.

Zurück zu dem gerade so populären Thema Burnout: es ist eigentlich ein spirituelles Thema. Wir brennen aus, wenn wir aus „trüben“ Quellen schöpfen, z.B. aus Ehrgeiz, Erwartungen erfüllen wollen, Anerkennung bekommen wollen etc. Schöpfe ich aus der Quelle des Heiligen Geistes, strömt das Leben. Zeiten der Stille, der Meditation und Rituale helfen, diese Quelle in mir zu finden und zu erhalten. Das funktioniert auch, ohne an Gott und den Heiligen Geist zu glauben. Ich nenne es dann einfach eine innere Kraftquelle. Dabei gilt: Je mehr du arbeitetest, desto mehr Zeit für Stille brauchst du! Schaffe dir „heilige Zeiten“ im Tagesablauf, und wenn es nur öfter mal drei Minuten sind.

Erlicht dieses Feuer in uns oder ignorieren wir es, erlischt unsere Lebenskraft. Unsere Begeisterung und unsere Leidenschaft verlassen uns, wir werden stumpf und interesselos.

Soviel zum Heiligen Geist. Wenn dir das Wort zu traditionsbeladen ist, nenne es einfach „Die innere Quelle“, die sich aus etwas Größerem speist. Du musst nicht so genau wissen, woher.
Ich versuche noch eine GANZ einfache Erklärung. Stell dir vor, du bist ein Radio. Dann sind Radiostation und Sendemast Gott, und die Funkwelle, die dich erreicht ist der Heilige Geist. Ohne Radiostation, Sendemast und Funkwelle würdest du als Radio keinen Sinn machen. Einfacher geht es wirklich nicht.

Wie gesagt: Dies ist nicht die „Wahrheit“ über den heiligen Geist, aber eine für mich akzeptable Erklärung. Natürlich kannst du das alles für Hokuspokus halten. Dann machst du es so wie der Fisch, der sagt: „Wasser? So ein Unfug. So was gibt es nicht!“

Übrigens: Der Heilige Geist eignet sich hervorragend für Witze. Und er nimmt sie dir noch nicht einmal übel.

Fazit: Plädoyer für eine Spiritualität mit Gott

Manche religiösen „Traditionalisten“ können ihre Gottesvorstellung entmenschlichen und anerkennen, dass Gott nicht „da draußen“ ist, sondern auch eine Kraft in ihnen und zugleich mehr. Die christliche Vorstellung des dreifaltigen Gottes gibt dies durchaus her.
Sie können in den verschiedenen spirituellen und esoterischen Lehren einiges lernen, ohne gleich alles annehmen zu müssen. Sie können dabei einiges lernen, was in der christlichen Spiritualität durchaus auch vorhanden, allerdings in Vergessenheit geraten ist.
Und sie können anerkennen, dass Gott kein Besitz der traditionellen Religionen ist und andere Menschen einen Blick auf Gott haben, der dem ihren nicht unbedingt entspricht. Was aber kein Problem sein sollte, da sie sich in der Regel untereinander auch nicht ganz einig darüber sind, was Gott ist.

Die spirituellen Sucher und „Esoteriker“ können lernen, dass Liebe, Intelligenz und Bewusstsein nicht ohne ein Wesen existieren können. Sie können Gott anerkennen, ohne sich damit den Dogmen der Kirche zu unterwerfen. Das Modell eines tief in uns wirkenden Archetyps „Gott“ kann dabei sehr hilfreich sein.
Außerdem lohnt sich für sie durchaus ein Blick in Christliche Mystik, Theologie und Religionspsychologie. Letztere sind für manche von Ihnen ja „Mindfuck“, doch verbergen sich darin Schätze, die ich vorher so nicht kannte und die mir einiges erklärt haben. Unsere Spiritualität hängt auch von dem Kulturkreis ab, in dem wir aufgewachsen sind. Wir können die darin liegenden Schätze nutzen ohne die einschränkenden Modelle zu übernehmen.

Meine Erfahrung ist, dass spirituelle Sucher, die sich intensiver mit Spiritualität beschäftigt haben als nur an der Oberfläche, weniger Probleme mit dem Begriff Gott haben.

Somit bleiben zwischen beiden Richtungen immer noch genügend Unterschiede für vorhandene Abgrenzungsbedürfnisse. Doch zugleich sind auch die Gemeinsamkeiten klarer geworden.

Ich habe die Darstellung bewusst etwas polarisiert und vereinfacht. Es gibt durchaus religiöse „Traditionalisten“, der sehr spirituell leben. Ebenso bodenständige spirituelle Sucher, die durchaus ohne personale Gottesvorstellung ganz gut auskommen.