Der christliche Glaube hält einige Stolpersteine bereit, der es dem modernen, aufgeklärten Menschen schwer macht, sich damit zu befassen. Jungfrauengeburt, Jesus als Sohn Gottes, Jesus Wunderwirken und Auferstehung, die Behauptung, wir seien alle Sünder und die Vorstellungen von Himmel und Hölle sind harte Brocken. Kann so etwas sein? Oder ist das eher symbolisch zu verstehen? Und was soll es dann bedeuten?

 Wir leben in einem sehr skeptischen Zeitalter. Wir schätzen die Pessimisten und Skeptiker. Das sieht man an vielen unserer Kulturprodukte in Literatur, Film und Theater. Schwarzer Humor kommt gut an. Und ich find ihn manchmal auch gut, nehme ihn aber nicht so ernst – und nicht für wahr. Unsere Medienwelt ist zum Teil tief davon geprägt. Sie schafft so eine Kunstwelt, die manche mit der Wirklichkeit verwechseln. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, doch in den Gesichtern der Menschen ist eher Pessimismus als Freude zu sehen. Sie wirken abgestumpft und leer. Warum ist das so?

 Viele Menschen glauben heute, die (Natur)wissenschaften können uns alles erklären, was um uns herum vorgeht. Wir leben mit einem mechanistischen Weltbild, das tief in uns verwurzelt ist. Manche versuchen, Gott für dieses mechanistische Weltbild zu funktionalisieren. Aber das funktioniert nicht. Die weit verbreitete Wissenschaftsgläubigkeit erkennt man auch daran, dass mit dem Label „wissenschaftlich bewiesen“ heute allerlei Unfug am Markt untergebracht werden kann. Falsch verstandene Wissenschaft wird so zum Religionsersatz. Wissenschaftsgläubige gehen mit der Haltung „So ist die Welt!“ statt mit der Frage „Wie ist die Welt?“ durchs Leben. Damit bestätigen sie aber nur ihr gefestigtes Weltbild immer wieder aufs Neue. Das gilt auch für viele spirituelle Sucher. Der Autor Manfred Lütz beschreibt in seinem Bestseller „Bluff – Die Fälschung der Welt“ die Entstehung solcher Scheinwelten auf klare und humorvolle Art und Weise. Wissenschaftlich ist dieses Weltbild schon längst überholt, doch Paradigmenwechsel brauchen halt ihre Zeit.

 Wissenschaft kann nur einen kleinen Teil der Dinge um uns herum erklären. Genauer gesagt, kann sie diese nur beschreiben und noch nicht einmal erklären. Das ist ein Unterschied. Ein wissenschaftlicher Beweis sagt nicht aus, das etwas mit Sicherheit so ist, sondern basiert auf Annahmen, Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten. So lange, bis neue Erkenntnisse auftreten. Somit wäre ein „Beweis“ für Wunderwirken, Jungfrauengeburt und Auferstehung für den zweifelnden Skeptiker keinerlei wirkliche Hilfe. Wissenschaft reduziert die Wirklichkeit auf Modelle. Und dann verwechseln die Menschen plötzlich diese Modelle mit der Wirklichkeit. Das ist so, als würden im Restaurant die Speisekarte verzehren anstelle der Speisen.

 Die Reihenfolge, mit der wir die Phänomene der Existenz betrachten, sollte diese sein: zuerst Wahrnehmung, dann Verstand. Der Verstand ist nachgeordnet und sortierend. Aber er kann nicht entscheiden, ob etwas „wahr“ ist. So funktioniert auch die Wissenschaft, sonst könnte sie keinerlei Fortschritte generieren.

Dinge wie z.B. die Auferstehung liegen außerhalb des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbereiches. Hier ist eher der Historiker gefragt. Der Blick in die Erkenntnistheorie kann da manchmal ganz hilfreich sein. Schließlich wird man auch keinen Psychologen nach seiner Einschätzung über Einspritzpumpen für Dieselmotoren befragen.

 Diese Zusammenhänge über Weltbild, Wissenschaft und Erkenntnistheorie sind den wenigsten Menschen der (post)modernen Sinus-Milieus bewusst. Und was sie auch nicht kennen ist die Bedeutung des Wortes Glauben. Es bedeutet eben nicht – wie in unserer Alltagssprache – , etwas für wahr zu halten, sondern auf etwas zu vertrauen.

 Der Historiker wird nach Indizien, Glaubwürdigkeit und Plausibilität suchen. Die Person Jesus und alles darum herum dürfte wohl einer der am besten erforschten Teile der Geschichte der Menschheit sein. Gewissheit über die damaligen Ereignisse lässt sich heute nicht mehr erlangen, nur Wahrscheinlichkeiten. Der Historiker Dr. Jürgen Spieß macht in diesem Video die Auferstehung zum Thema: http://www.youtube.com/watch?v=RUYRBzi6bxo

Zur Historizität der Auferstehung findet sich hier eine umfassende Darstellung von Professort Thomas Arnold, Inhaber des Lehrstuhls für moderne Geschichte an der Oxford-Universität: http://www.professorenforum.de/volumes/v01n02/artikel1/zoellerg.htm

Letztlich ist es meine Entscheidung, welchen Indizien ich Glauben schenke. Und hier muss ich klar zwischen für mich glaubwürdige geschichtliche und heutige Indizien und meinen oder anderer Voreingenommenheiten unterscheiden.

 Kann ich an Jesus Wunder glauben? Nun, medizinisch nicht erklärbare „Wunderheilungen“ gibt es auch heute, wahrscheinlich mehr denn je. Eetliche davon sind gut dokumentiert.

 Kann ich an die Jungfrauengeburt glauben? Nun, in der hebräischen Bibel war von einer „jungen Frau“ die Rede, erst bei der Übersetzung ins Altgriechische wurde daraus eine Jungfrau. Das heißt nun aber nicht, dass die Jungfrauengeburt keine war. Ist das wirklich so wichtig? Schließlich gab es ähnliche Vorstellungen im Hinduismus und in der griechischen Mythologie.

 Kann ich an die Auferstehung glauben? Sehr vielen Menschen passiert es, das ihnen kürzlich verstorbene, ihnen nahestehende Menschen erscheinen. Allerdings ist es noch nicht vorgekommen, dass ein Verstorbener mehreren Personen gleichzeitig erschienen ist. Und Fisch hat wohl auch noch keiner verzehrt. Und dass ein Haufen völlig desillusionierter Jünger nur allein durch eine Erscheinung zu eifrigen Aposteln wurden, ist eher unwahrscheinlich. Ohne die Auferstehung wäre das Christentum wahrscheinlich nicht entstanden. Die oft beschriebene Freunde der Urchristen, die dem heutigen Christentum leider oft fehlt, ist ein weiteres Indiz.

 Die Vorstellung, ein Sünder zu sein, ist für den modernen, aufgeklärten Menschen nicht nachvollziehbar. Und tatsächlich wurde mit dem Begriff Sünder bis heute viel Machtmissbrauch betrieben. Sünde bedeutet nicht, etwas Böses zu tun. Sünde bedeutet, uns von unserem inneren göttlichen Wesenskern abgesondert zu haben, Und in Folge dessen tun wir dann evt. etwas Böses, verletzen uns oder andere. Dafür sollen wir dann Buße tun. Das ist auch missverständlich, Buße bedeutet Umkehr zu unserem wahren inneren Wesenskern. Uns wieder neu auf das Gute, auf die Liebe hin auszurichten. Uns selbst und anderen vergeben. Diesen Zusammenhang deutlich klar zu stellen könnte so machen teure Therapiestunde überflüssig machen.

 Himmel und Hölle sind eher Synonyme für Daseinsformen, die wir wählen können. Es sind Zustände im Hier und jetzt. Wir können das Himmelreich JETZT praktizieren, indem wir uns auf das Gute, auf die Liebe hin ausrichten. Jesus hat uns dies gut vorgemacht. Oder wir richten uns ausschließlich auf weltlichen Erfolg, Macht und materiellen Reichtum hin aus, gehen in Bezug auf andere Menschen sehr verurteilend durch die Welt. Dann sind wir schon jetzt in der Hölle. Wir brauchen uns den Himmel nicht verdienen. Die Belohnung liegt bereits in der Tat. Die Bestrafung auch. Wenn du jemandem etwas Böses antust, wird der darüber hinwegkommen. Du nicht!

 Statt sich mit den letztlich unauflösbaren Stolpersteinen des Glaubens zu beschäftigen, gibt es einen ganz anderen Weg, ein religiöser oder spiritueller Mensch zu werden, wenn man dies denn möchte. Und die meisten Menschen verspüren eine tiefe Sehsucht danach.

 Da ist zum einen die Person Jesus. Sein Vorbild zeigt uns den Weg zu einem gelingenden Leben. Er ist frei von jeglicher Negativität, die unseren Alltag immer wieder so vergiftet. Erlösung bedeutet für mich nicht in erster Linie, das Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Das ist für religiös Unmusikalische eh nur schwer zu verstehen. Erlösung bedeutet für mich die Art, wie er sein Leben gelebt hat. Seine bedingungslose Annahme anderer Menschen.

 Zum anderen können uns folgende Fragen hin zu einem spirituelleren Alltag führen:

  • Warum können wir uns freuen, staunen, dankbar sein?
  • Warum sind wir von einem intensiven Naturerlebnis so ergriffen?
  • Warum können wir lieben?
  • Warum freuen wir uns, wenn wir Gutes tun?
  • Was ist überhaupt Leben?
  • Was ist die Seele?
  • Warum können wir uns selbst reflektieren?
  • Welche Kraft hält die Atome, aus denen wir bestehen, zusammen?

 Und noch etwas: fühle ich mich davon erfüllt, dass eine höhere Kraft in mir wirkt? Diese innere Erfüllung ist für mich der wichtigste Beweis für die Existenz einer göttlichen, personalen Kraft. Alles anderes bleibt letztlich intellektuelle Gymnastik.

 So können wir nach der Präsenz des Heiligen im säkularen Alltag Ausschau halten. Wir können die Praxis des Glaubens lernen ohne die theoretische Überlegung, ob die Stolpersteine des Christentums wahr sind und ob es Gott gibt oder nicht. Vielleicht beantwortet sich diese Frage dann früher oder später ganz von selbst.

 Und so kann auch der moderne, aufgeklärte, (post)moderne Mensch einen viel weiteren Blick auf Gott bekommen und ihn als Schöpfer, kreative Energie, die Quelle von Allem oder einfach als eine höhere Macht ansehen. Die sowohl persönlich als auch überpersönlich ist. Dies habe ich an anderer Stelle erklärt.

https://glueckundfreude.wordpress.com/2012/05/08/eine-intelligente-existenz-und-ein-personlicher-gott/

 Allerdings muss er eine Entscheidung treffen. Der zweifelnde Skeptiker muss irgendwann seine Zweifel aufgeben und sich für Gott – in welcher Form auch immer – entscheiden. Der Verstand braucht dafür, gerade für Menschen, die eher intellektuell geprägt sind, hinreichende Gewissheit. Mehr geht nicht. Hat er sich aufgrund seiner Verstandestätigkeit für Gott entschieden, so beruht sein Glaube dann auf der Klugheit der Vernunft statt auf der Sicherheit der Frömmigkeit. Der Wunsch, sich mit den Geschichten der Bibel zu beschäftigen, entsteht so vielleicht ganz von selbst.

 Und noch etwas: Der christliche Glaube ist nicht mit einem bestimmten Verhalten und auch nicht mit der Mitgliedschaft in einer religiösen Vereinigung verbunden. Auch wenn jetzt viele Leser heftig protestieren werden. Das Verhalten ist KONSEQUENZ des Glaubens und nicht seine Voraussetzung. Und die Mitgliedschaft in einer religiösen Vereinigung oder in einer Gemeinde KANN ein daraus entstehender Wunsch sein, ist aber ebenfalls keineswegs Voraussetzung.

 Bei dieser Herangehensweise wird so mancher fröhlicher und liebevoller Atheist merken, dass er tatsächlich viel näher an Gott ist als viele moralisierende und frömmlerische Christen.